Nutzung industrieller Abwärme zur Wärmeversorgung von Gebäuden

Foto: Venner Energie eG

Stichworte: Nahwärme, Abwärmenutzung Abwärme

Die Venner Energie eG wurde gegründet, um ein Nahwärmenetz aufzubauen und zu betreiben. Dabei wird die anfallende Abwärme einer Waffelfabrik genutzt, um die Gebäude in der Ortschaft Venne (Gemeinde Ostercappeln)mit Wärme zu versorgen.

In der Ortschaft Venne der Gemeinde Ostercappeln in Niedersachsen befindet sich mit der Firma Meyer zu Venne die größte Eishörnchenfabrik bzw. Waffelfabrik Europas. Durch die Backvorgänge werden jährlich rund zehn Mio. kWh Abwärme ungenutzt in die Umwelt entlassen.

Im Rahmen der Beteiligung am Klimaschutzkonzept des Landkreises Osnabrück sowie der dadurch entstandenen Netzwerke hat Ostercappelns Bürgermeister Rainer Ellermann mit Fachpersonen Kontakt aufgenommen, um Möglichkeiten zur Nutzung dieser Abwärme zu sondieren. Gemeinsam mit der Gemeinde Ostercappeln, der Firma Meyer, der Ingenieur Netzwerk Energie eG und dem Genossenschaftsverband Weser-Ems wurden die erforderlichen Untersuchungen durchgeführt. Die Kosten teilten sich zunächst die Gemeinde Ostercappeln und die Firma Meyer zu Venne je zur Hälfte.

Mit der Einrichtung eines Nahwärmenetzes in Venne wird die entstehende Abwärme nicht weiter ungenutzt in die Umwelt entlassen. Durch die sinnvollen Nutzung und Einrichtung des Wärmenetzes wurden viele alte und umweltschädliche Heizungsanlagen außer Betrieb genommen. Der Verbrauch von Öl und Gas wird erheblich eingeschränkt, die CO²-Belastung deutlich gesenkt. Der Vorbildcharakter dieser industriellen Abwärmenutzung wird verstärkt dazu dienen, auch andere Betriebe zur Nachnutzung entstehender Abwärme zu animieren.

Die Planung

Nach einer Energieeffizienzberatung der Firma Meyer zu Venne wurde am 15.05.2013 die Planung und Untersuchung zur Verwirklichung eines Nahwärmenetzes in Venne begonnen.

Nach dem positiven Ergebnis der ersten Untersuchungen haben der Ortsrat Venne sowie der Verwaltungsausschuss in nicht öffentlichen Sitzzungen einstimmig dem Vorhaben und den notwendigen weiteren Untersuchungen zugestimmt. Die gebildete Arbeitsgruppe hat daraufhin die Planungen weiter vorangetrieben. Ende Februar 2014 hat der Ortsrat Venne in öffentlicher Sitzung über das Projekt „Nahwärmeversorgung in der Ortschaft Venne“ beraten.

Am 2. April 2014 wurde das Projekt bei einer öffentlichen Veranstaltung den Bürgerinnen und Bürgern vorgestellt. 90 beteiligten sich an der Vorstellung und Diskussion. Sie erhielten Interessentenfragebogen, mit denen die allgemeine Akzeptanz abgefragt wurde. Bereits nach kurzer Zeit haben sich 90 Grundstückseigentümer/innen bereit erklärt, einer zu gründenden Genossenschaft beizutreten und einen Nahwärmeanschluss vorzunehmen. Allein mit diesen Anträgen konnte das Wärmenetz wirtschaftlich aufgestellt werden. Nach einer weiteren öffentlichen Informationsveranstaltung am 27. Mai 2014 äußerten sich weitere 60 Grundstückseigentümer/innen dahingehend, dass sie einen Wärmeanschluss nehmen würden.

Alle Öffentlichkeitsmaßnahmen wurden durch Presseveröffentlichungen, durch Anzeigen im örtlichen Mitteilungsblatt begleitet. Eine Unterstützungsgruppe ging von Haus zu Haus, um über das Vorhaben zu informieren, zudem wurden alle auswärts wohnenden Grundstückseigentümer/innen angeschrieben. Eine weitere Informationsveranstaltung in Räumen der Firma Meyer zu Venne diente dazu, die Öffentlichkeit über die Herkunft der Wärme und die Abläufe in der Waffelfabrik zu informieren. Mit einer weiteren, gut besuchten Informationsveranstaltung Anfang Juli wurde die Gründung einer Nahwärmegenossenschaft in der Ortschaft Venne eingeleitet, die dann am 29. Juli 2014 erfolgt ist.

Finanzierung und Wirtschaftlichkeit

Die Wärmelieferung erfolgt nur an Genossenschaftsmitglieder, die für jeden erforderlichen Hausanschluss einen Anteil in Höhe von 500,00 € erwerben. Außerdem muss für jeden Hausanschluss ein Eintrittsgeld in Höhe von 2.000,00 € gezahlt werden.

Die Finanzierung der Gesamtmaßnahme mit einem Volumen rund 4 Mio. Euro hat – nach Gesprächen mit mehreren Banken - die Sparkasse Osnabrück übernommen. Zudem ist eine Förderung über die NBank in Höhe von rund 1.100.000 € eingeplant. Somit reduziert sich der über Kredite zu finanzierende Betrag auf rund 2,7 Mio. €.

Die Wirtschaftlichkeit der Investitionen erhöht sich mit der Zahl der angeschlossenen Gebäude. Im Mai 2016 wird bei vorsichtiger, konservativer Ergebnisrechnung von einem jährlichen Überschuss in Höhe von rund 10.000,00 € ausgegangen. Die Überschüsse sollen zunächst dazu dienen, das Nahwärmenetz langfristig zu sichern.

Mit der Abgabe der Wärmelieferungsverträge zum 12. September 2014 hat die Umsetzungsphase begonnen. Bis zum 16. Oktober 2014 haben 127 Grundstückseigentümer/innen verbindliche Verträge abgeschlossen, heute (Mai 2016) sind 154 Grundstückseigentümer/innen angeschlossen. Die Baumaßnahmen konnten Ende März 2016 abgeschlossen werden.

Bereits jetzt zeichnet sich die Vorbildfunktion hinsichtlich der Abwärmenutzung bei Firmen ab. Die Wirtschaftsförderungsgesellschaft Osnabrücker Land mbH (WIGOS) führt aktuell gemeinsam mit der Klimaschutzinitiative des Landkreises Osnabrück Informationsveranstaltungen und -gespräche mit Firmen vor, bei denen sich die Nutzung von entstehender Abwärme wirtschaftlich und umweltpolitisch darstellen lässt.

In Zukunft wird die Venner Energie eG sich intensiv um weitere Abnehmer, insbesondere in der Sommerzeit kümmern, um die gerade dann erhebliche Menge an nicht genutzter Abwärme nutzen zu können. Mögliche Mitnutzer sind z. B. die örtliche Landwirtschaftliche Bezugsgenossenschaft zur Trocknung der Ernte (Korn und Mais) oder die bestehende Zentralkläranlage in der Ortschaft Schwagstorf zur Trocknung der entstehenden Klärschlämme.

Zudem werden sich durch die vorgesehene Erweiterung der Gewerbefläche am Standort Venne sowie der Neuerstellung einer Wohnsiedlung weitere potenzielle Nutzer ansiedeln.

Mit den Öffentlichkeitsmaßnahmen sind nicht nur ausreichend Interessenten für die Einrichtung eines Nahwärmenetzes gewonnen worden. Insgesamt wurde die Aufmerksamkeit der Bevölkerung für das Thema „Klima- und Umweltschutz“ sowie „Energiewandel“ deutlich erhöht.

Die örtliche Gemeinschaft ist zudem erheblich gestärkt worden, Nachbarschaften haben sich neu gefunden. Die Identifikation mit der „Venner Energie eG“ ist deutlich zu spüren.

Hürden und Risiken

Die größte Hürde war die Finanzierung. Zunächst mussten die Gemeinde Ostercappeln und die Waffelfabrik Meyer zu Venne jeweils mehr als 100.000 Euro für Voruntersuchungen usw. vorstrecken und dabei das Verlustrisiko tragen.

Das Interesse der Banken an diesem Modellprojekt war zwar groß, eine Finanzierung erschien aber zu risikoreich. Erst als die Gemeinde Ostercappeln für einen Betrag in Höhe von bis zu 2,7 Mio. Euro eine Bürgschaft übernahm, konnten annehmbare Konditionen eingeholt werden.

Für die Produktion der Waffelfabrik waren die erforderlichen Installationen im Betrieb eine besondere Herausforderung. Die Arbeiten konnten jeweils nur am Wochenende beim Stillstand der Backstraßen erfolgen, zudem mussten zum Schichtbeginn am Montag der komplette Bereich gesondert gereinigt werden. Die Abnahme der Abwärme muss anlagentechnisch automatisiert ablaufen. Dabei darf es nicht zu ungleichmäßigen Luftzirkulationen kommen, um das Produkt „Waffel“ nicht zu gefährden. Dies erfordert zudem eine sehr genaue Steuerungstechnik.

Erfolgsfaktoren

Das Zusammenspiel der Bevölkerung mit der Geschäftsführerfamilie Meyer zu Venne, mit Politik und Verwaltung der Gemeinde Ostercappeln war von großem Vertrauen geprägt.

Durch den günstigen Bezug der Abwärme können die Hauseigentümer/innen jährlich zwischen 500 Euro (bisher Gasheizung) und 1.000 Euro (bisher Ölheizung) einsparen.

Die ausführlichen und intensiven Bürgerinformationen, die Bildung einer „Nachbarschaftsgruppe“, die öffentlichen Vorführungen der Produktionsabläufe in der Waffelfabrik waren die Grundlage für die erfolgreiche Umsetzung.

Technische Details

Nahwärmenetz mit etwa 10 km Länge (Stand Mai 2016) in der Ortschaft Venne (3.100 Einwohner, rund 350 Gebäude) in der Gemeinde Ostercappeln (9.800 Einwohner). Die Gesamtinvestition betrug rund vier Mio. Euro.

Bei 154 angeschlossenen Gebäuden wurden alte Öl- und Gasheizungsanlagen abgebaut. So werden mehr als 1.100 t CO² sowie 400.000 l Heizöl jährlich eingespart.

Abnahme von knapp sieben Mio. kWh Wärme von Europas größter Eishörnchenfabrik Meyer zu Venne. Dazu wurden 20 Wärmetauscher von 20 kW bis 120kW auf 17 Backstraßen installiert.

Heizhaus mit Pufferspeicher mit 1.000 m³ Wasser (5.611 MWh/a), zudem zwei Spitzenlastkessel (990 MWh/a) zur Überbrückung von längeren Produktionspausen (z. B. zweiwöchiger Winterurlaub)

Material

„Nahwärmeversorgung durch industrielle Abfälle organisiert als Bürger-Energiegenossenschaft“, Veröffentlichung des Deutschen Instituts für Urbanistik gGmbH

Weitere Informationen zum Projekt gibt es auf der Website der Bürgerenergiegenossenschaft

Das Nahwärmenetz aus industrieller Abwärme wurde beim Wettbewerb "Klima kommunal 2014" als Leuchtturmprojekt ausgezeichnet.

Ansprechpartner für Rückfragen

Venner Energie eG
Rainer Ellermann
Aufsichtsratsvorsitzender
Gildebrede 1, 49179 Ostercappeln
Tel.: 05473/9202-10
E-Mail: ellermann@ostercappeln.de
www.venner-energie.de

 

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