28. April 2011

Energie in und aus Bürgerhand

16 Projekte in zehn Monaten, sieben sind unter Dach und Fach. Der Kreis Giessen stellt ein Drittel der Dachflächen kreiseigener Gebäude zur Verfügung. Projektentwicklerin Elke Bergsma über die Erfolgsgeschichte der Sonnenland eG.

 

“Was sollen denn die Spiegel auf dem Dach?“ So die interessierte Frage eines Kindergartenkindes beim Bau der Photovoltaikanlage auf dem Dach seines Kindergartens. Ein anderes Kind weiß gleich Rat: „Damit werden bestimmt die Flugzeuge von unten beleuchtet.“

Für Uwe Kühn, den Vorstandsvorsitzenden der Sonnenland Bürgersolargenossenschaft mit Sitz in Großen-Buseck, zeigt dieses Beispiel einmal mehr, dass man gar nicht früh genug damit anfangen kann, für die erneuerbaren Energien ein Bewusstsein zu schaffen. „Für unsere Kinder und Enkel wird es eines Tages ganz normal sein, dass unsere Dächer mit Photovoltaikanlagen bestückt sind“, ist er überzeugt. „Und auch, wenn sie heute noch nicht so genau wissen, was da auf dem Dach eigentlich passiert, so zeigen ihre Reaktionen doch immer wieder, dass sie sich damit auseinandersetzen. Und genau hier sollte man ansetzen.“

Zunächst einmal aber verfolgt die von ihm und seinen Vorstandskollegen Franz Borgmann und Dr. Thomas Buchkamp im März 2010 gegründete Sonnenland Genossenschaft das Ziel, möglichst viele öffentliche Gebäude oder auch private Dachflächen im Landkreis Gießen mit Photovoltaikanlagen zu bebauen. Ein lukratives Geschäft, könnte man meinen. Aber darum geht es den Physikern Buchkamp und Kühn gar nicht, denn ihren Lebensunterhalt verdienen sie hauptberuflich mit ganz anderen Dingen. Im Gegenteil arbeiten sie für die Genossenschaft ehrenamtlich. Ihnen geht es um Ideale. „Unser Ursprungsgedanke war es, auf allen geeigneten Dächern der Kreisschulen Photovoltaikanlagen zu installieren“, erläutert Buchkamp. „Damit wollten wir unseren Teil dazu beitragen, Deutschland, das zu über 70 Prozent von Energieimporten abhängig ist, mit selbst erzeugter Energie ein wenig unabhängiger von Energiekrisen zu machen.“

Zwar war ihnen klar, dass auch viele ihrer Mitmenschen ein großes Interesse haben, auf ihrem eigenen Dach eine Photovoltaikanlage zu installieren. Mit dem Boom aber, den sie mit ihrer Idee auslösten, hatten sie nicht gerechnet. „Ohne überhaupt aktiv Werbung für unsere Genossenschaft zu machen, werden wir von Anfragen geradezu überrannt“, so die Erfahrung von Kühn. Innerhalb der letzten zehn Monate haben sie 16 Projekte aufgenommen und bereits sieben davon unter Dach und Fach gebracht. Und die Anfragen reißen nicht ab. Ihre Genossenschaft zählt inzwischen 100 Mitglieder. Doch wie lässt sich ein solcher Andrang erklären?

„Das Interesse an Photovoltaik ist tatsächlich sehr groß“, weiß Buchkamp und fügt hinzu: „Doch ebenso groß sind häufig die Hemmschwellen oder Hindernisse potenzieller privater Investoren, ein solches Projekt tatsächlich in Angriff zu nehmen.“ So wollten sich die einen nicht mit der Technik auseinandersetzen oder es fehle das nötige Kapital. Die anderen scheuten den hohen Verwaltungsaufwand oder aber hätten selber keine Dachfläche, da sie eine Wohnung gemietet hätten. Und genau für diese Menschen sei das Angebot von Sonnenland gedacht.

Kühn: „Wir suchen Dachflächen, prüfen, ob sie für eine Photovoltaikanlage geeignet sind und sichern die Finanzierung. Erst, wenn das alles geschehen und abgesichert ist, gehen wir in die Mitgliederwerbung für dieses genossenschaftliche Projekt. Jedes Genossenschaftsmitglied wird so – unabhängig von der Höhe seiner Einlage – zum Mitunternehmer. Mit dem Vorteil, dass noch viele andere an seinem Unternehmen beteiligt sind, was das finanzielle Risiko praktisch gegen null tendieren lässt.“

Mit Kreistagsbeschluss vom Februar 2010 bekam die Sonnenland e. G., die damals noch als Verein firmierte, die Genehmigung, ein Drittel der Dachflächen von kreiseigenen Gebäuden mit Photovoltaikanlagen zu bestücken. Nicht einmal ein Jahr später stellt sich die Idee von Kühn, Buchkamp und Borgmann bereits als absolute Erfolgsgeschichte heraus. Unlängst wurde ihr genossenschaftliches Konzept vom Genossenschaftsverband mit dem Genoportal-Award ausgezeichnet. Und Kühn und Buchkamp sind überzeugt davon, dass dieses Vorhaben nur mit einer Genossenschaft und mit keiner anderen Rechtsform hat gelingen können. Kühn: „Der Charme unseres Projektes ist, dass sich praktisch jeder daran beteiligen kann und alles Geld, das investiert wird, in der Region bleibt. Wir arbeiten mit heimischen Banken und Handwerksbetrieben zusammen und nicht zuletzt natürlich mit den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort. Alle, die am Projekt beteiligt sind, profitieren. Wobei wir allerdings die Erfahrung gemacht haben, dass es den meisten Bürgerinnen und Bürgern gar nicht ums Geld geht. Sie wollen sich bei den erneuerbaren Energien engagieren und vor allem selbst handeln. Wir geben ihnen dafür die Basis.“

Elke Bergsma

Der Artikel erschien im Februar 2011 im Gießener Stadtmagazin FRIZZ
 

 

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