05. März 2020

Power Purchase Agreements (PPAs): Chancen für Energiegenossenschaften?

Power Purchase Agreements (PPAs) sind in vieler Munde. Die Erfahrungen hierzulande sind gering. Sind solche Direktlieferverträge interessant für Bürgerenergiegenossenschaften und die Anforderungen zu bewältigen?  Ein Gespräch mit Fachleuten unseres Mitgliedes Deutsche Kreditbank AG.

Ute Mann ist Spezialistin für PPA-Verträge, Dirk Schumacher ist Fachspezialist für Bürgerbeteiligung. 

Netzwerk Energiewende Jetzt (NEWJ): PPAs werden gerade ziemlich gehypt. Ist das berechtigt?

Ute Mann: PPAs sind beratungsintensiv, deshalb treiben viele Berater das Thema an. In Deutschland entwickelt sich der Markt für PPAs gerade erst, während PPA-basierte Finanzierungen im Ausland längst gängige Praxis sind. Die Marktakteure -  Energieversorger oder Unternehmen, die den Strom abnehmen, Anlagenbetreiber und finanzierende Banken – machen gemeinsam die ersten Schritte. Standards für PPA-basierte Finanzierungen für Erneuerbare Energien-Projekte in Deutschland gibt es derzeit noch nicht. Wir als DKB haben erste Finanzierungen auf Basis von PPAs umgesetzt und entwickeln aktuell in einer Arbeitsgruppe marktkonforme Finanzierungsmöglichkeiten für derartige Projekte. Dabei können wir auf unsere langjährigen Erfahrungen in der EEG-basierten Projektfinanzierung zurückgreifen. 

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Was ist ein Power Purchase Agreement (PPA)?

Ein Stromliefervertrag zwischen einem Anlagenbetreiber (Stromproduzenten) und einem Stromabnehmer (stromverbrauchendes Unternehmen oder Stromhändler). Im PPA werden alle Konditionen geregelt, vom Umfang der zu liefernden Strommenge, dem ausgehandelten Preis bis zu den Strafen bei Nichteinhaltung des Vertrags. Die Stromlieferungen können physisch oder bilanziell erfolgen. Bei einer physischen Lieferung in räumlicher Nähe durch eine direkte Stromleitung an den Abnehmer können Abgaben wie Netzentgelte entfallen oder verringert werden. Bei der bilanziellen Abnahme liefert der Erzeuger den Strom durch das öffentliche Stromnetz an den Stromkäufer.

Die Vor- und Nachteile von PPAs im Überblick

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NEWJ: Was ist das Besondere an PPAs?

Ute Mann: Stromlieferverträge sind an sich nichts Neues. Im Unterschied zu den uns bekannten Direktvermarktungsverträgen aus der verpflichtenden Direktvermarktung steht bei PPAs mit der langfristigen Festlegung des Preises für den vertragsgegenständlichen grünen Strom jedoch eine stark wirtschaftliche KompoKomponente im Mittelpunkt. So ergeben sich für Anlagenbetreiber neue Chancen, aber auch neue Risiken. Von besonderer Relevanz sind auch die Herkunftsnachweise, durch die die Grünstromeigenschaft letztlich zum Verbraucher kommt. Die Grünstromeigenschaft des in EE-Anlagen erzeugten Stroms bleibt erhalten. Das kann für die Abnehmer des Stroms interessant sein.

NEWJ: Was ist aus Ihrer Sicht in den Direktlieferverträgen zu klären?

Ute Mann: Wir als Bank haben Mindestregelungsinhalte und Mindestakzeptanzkriterien definiert. Dazu gehört, dass der Betreiber seine Pflichten als Anlagenbetreiber einer EEG-Anlage einhält. Genannt seien beispielsweise die Erfüllung der Anforderungen an Ausführung und Nutzung des Anschlusses gemäß § 10 Absatz 2 EEG 2017, die Erfüllung der Anforderungen an den Messstellenbetrieb gemäß § 10a EEG 2017 oder die Datenübermittlungspflicht an den Netzbetreiber gemäß § 71 EEG 2017. Neben Vereinbarungen zum Umfang der Stromlieferung, zur ökologischen Qualität der Belieferung und zum Preis sind Vereinbarungen zu Messung, Abrechnung und zu den Zahlungsmodalitäten zu treffen. Die Verträge sollten Haftungsregelungen enthalten und einerseits Regelungen zur Abdeckung von Risiken und Schäden aus Anlagenausfall, Versorgungsunterbrechungen und Ertragsschwankungen sowie andererseits aber auch die Absicherung des Anlagenbetreibers gegen das Ausfallrisiko seines Abnehmers berücksichtigen. Wir legen auch darauf Wert, dass im PPA nicht nur die außerordentlichen Kündigungsrechte des Stromabnehmers, sondern auch die außerordentlichen Kündigungsrechte des Anlagenbetreibers definiert werden.  

NEWJ: Was sind die Knackpunkte bei PPAs?

Ute Mann: Grundsätzlich ist die vertragsrechtliche Ausgestaltung von PPAs ein Entwicklungs- und Verhandlungsprozess, der von den individuellen Projektanforderungen abhängig ist.  Aus Finanzierersicht sind vor allem die Laufzeit des Vertrags, die vereinbarten fixen oder variablen Preisbestandteile, die Risikoverteilung zwischen den Vertragspartnern und die Bonität des Stromabnehmers zu betrachten. Wir schauen uns an, ob die Zahlungsströme, mit denen unsere Finanzierung bedient werden soll, sicher sind. Damit kommt der Bonität des Stromabnehmers eine besondere Rolle zu. Herausfordernd für uns als Bank sind Finanzierungslaufzeiten, die über die Laufzeit des PPA hinausgehen.  Wir haben uns daher intensiv mit dem Thema Strompreise und Strompreisprognosen beschäftigt.

Dirk Schumacher: Bei Energiegenossenschaften sehe ich derzeit vor allem die vertraglichen Risiken. Die Verträge sind individuell auszuhandeln und rechtlich sehr gut zu prüfen, da brauchen Sie Juristen. Bürger-energiegenossenschaften realisieren in der Regel wenig Projekte und können die Risiken schwerer verteilen. Ich bin nicht sicher, wie viele Genossenschaften schon fit dafür sind. Ich sehe einen hohen Informationsbedarf. Vielleicht braucht es auch ein besonderes Coaching.

NEWJ: In welchen Bereichen sind PPAs interessant?

Ute Mann: Für Anlagenbetreiber ist das Ziel, sich Vermarktungsmöglichkeiten ohne die gesetzlich garantierte EEG-Vergütung zu eröffnen. PPAs sind daher bei sogenannten Ü20-Anlagen ein Thema, bei denen die 20-jährige EEG-Vergütung ausläuft. Anlagenbetreiber derartiger Anlagen müssen sich die Frage stellen, ob die Wirtschaftlichkeit für den Weiterbetrieb gegeben ist: Wie hoch sind die Betriebskosten? Wie ist der technische Zustand? Wie sehen die Wartungskonzepte aus? Angesichts historisch niedriger Stromgestehungskosten stellen PPAs aktuell auch für PV-Neubauprojekte eine Alternative zu EEG-vergüteten Projekten dar. In diesem Segment sind in PPA-Strukturen auch Projekte größer 10 MW möglich, für die es aufgrund der begrenzten Flächenkulisse im Ausschreibungssystem keine EEG-Vergütung gibt.

NEWJ: Wo sehen Sie die Chancen für Energiegenossenschaften? 

Ute Mann: Ich sehe Chancen bei kleineren PV-Projekten, etwa Anlagen unter 750kWp. Hier könnten Genossenschaften die Möglichkeit nutzen, bei bestehendem gesetzlichem Zahlungsanspruch gemäß EEG durch einen PPA vertraglich höhere Erlöse zu erzielen. Wenn der Vertragspartner ausfällt, könnte der Anlagenbetreiber mit der Übergangsfrist der §§ 21b Abs. 1 Satz 2, 21c EEG 2017 wieder in das EEG „zurückkehren“ und den gesetzlichen Zahlungsanspruch mit Marktprämie geltend machen. Angesichts der niedrigen Zuschlagswerte in den Ausschreibungen stellen PPAs aus meiner Sicht auch für die Realisierung von PV-Freiflächenanlagen bereits heute eine echte Alternative dar.

NEWJ: Es werden verschiedene Modelle vorgeschlagen, fluktuierende oder fixe Preise, Mindestabnahmemengen …

Ute Mann: Ich empfehle den Genossenschaften nicht, Mindestabnahmemengen zu vereinbaren oder fluktuierende Preise, die sich an der Entwicklung an den Strommärkten orientieren. Vereinbaren Sie Mindestmengen, sind Sie in der Pflicht, diese auch jederzeit zu liefern. Fixe Preise und pay-as-produced – was erzeugt wird, wird abgenommen – halte ich für gangbar.

Für eine gute preisliche Gestaltung sollte sich der Anlagenbetreiber mit dem Strommarkt und Strompreis-prognosen auskennen, evtl. auf externe Analysten zurückgreifen. Wird der Strompreis in fünf Jahren höher sein als heute oder niedriger? Gehe ich von steigenden Strompreisen aus, werde ich z.B. kürzere Vertragslaufzeiten vereinbaren, um anschließend höhere Preise zu erzielen. 

NEWJ: Wer sind die Kunden?

Ute Mann: Als Abnehmer bieten sich in erster Linie Energieversorger an, die selbst eine große Zahl von Verbrauchern beliefern. Sie haben meist eine gute Bonität, kennen sich mit energiewirtschaftlichen Fragen aus. Darüber hinaus kommt als Abnehmer auch jedes Unternehmen in Betracht. 

NEWJ: Was erwarten Sie als finanzierende Bank von den Anlagenbetreibern?

Ute Mann: Wir erwarten eine Exzellenz in der Errichtung und dem Betrieb der Erneuerbare-Energien Anlage. Das fängt an bei Projektrechten, wie Grundstückssicherung und Baugenehmigung. Der Anlagenbetreiber muss die vertraglich vereinbarte Inbetriebnahme sicherstellen, die Rentabilität der Anlage nachweisen, eine Liquiditätsplanung sowie ein schlüssiges Wartungs- und Versicherungskonzept vorlegen. Darüber hinaus erwarten wir, dass der Anlagenbetreiber die Bonität seines Stromabnehmers geprüft und die vertragsrechtliche Ausgestaltung des PPA und die sich hieraus für ihn ergebenden Risiken mit seinem Rechtsbeistand bewertet hat. 

Dirk Schumacher: Wir befinden uns in einer Umbruchsituation der dezentralen Energiewende. In den letzten Jahren sind immer mehr große Player auf dem Markt aktiv. Schon bei den Ausschreibungen haben wir festgestellt, dass die „echten“ Bürgerenergieakteure vor großen Herausforderungen stehen und die Akteursvielfalt letztlich leidet. Das befürchte ich auch hier. Faktische „marktinduzierte“ Neu-Anforderungen wie PPAs erschweren Bürgerenergiegenossenschaften das Agieren bzw. verlangen diesen neue Antworten ab. Das ist eine riesengroße Herausforderung.

NEWJ: Das klingt pessimistisch.

Dirk Schumacher: Eher realistisch. PPAs werden nicht das hauptsächliche Zukunftsmodell von vielen Ener-giegenossenschaften sein. Energiegenossenschaften sind hier im Wettbewerb. Was können sie preislich auf die Beine stellen? Wie können sie mit einem hochprofessionellen Mitbewerber mithalten? PPAs lohnen sich meiner Meinung nach nur, wenn Skaleneffekte möglich sind. Ob einzelne Genossenschaften das leisten können? Vielleicht braucht es hier Kooperationen, auch über Bundesländer hinaus. Sehr viel Mut macht in diesem Zusammenhang jedoch die Unterzeichnung des ersten genossenschaftlichen PPA durch die EnergieGenossenschaft Inn-Salzach eG (Bayern) am 03.03.2020 auf dem Bundeskongress genossenschaftliche Energiewende. Das zeigt uns: Es geht DOCH, die Genossenschaften sind beim Thema PPA nicht außen vor – und die DKB (mit ihren 27 Standorten in Deutschland) wird ihr PPA-Wissen gern mit den Energiegenossenschaften teilen.

NEWJ: Vielen Dank für das Gespräch

Text: Das Gespräch hat Rainer Lange vom Netzwerk Energiewende Jetzt e.V. (NEWJ) geführt.

Foto: View7/photocase

 

Power Purchase Agreement (PPA): Vorteile und Nachteile

 

Vorteile für den Anlagenbetreiber/Stromlieferanten 

  • Er hat eine garantierte Abnahme über eine definierte Strommenge zu einem festen Preis über einen festen Zeitraum
  • Der vereinbarte Preis kann die Sätze der EEG-Vergütung übersteigen bzw. die in Ausschreibungen erzielten Vergütungssätze.
  • Nicht (mehr) EEG-förderfähige Anlagen lassen sich vermarkten, ein Beispiel sind Erweiterungen von Solarparks
  • Eine gesicherte Vergütung des Stroms erlaubt die Finanzierung des Projektes und einen profitablen Betrieb
  • Bei direkter physischen Lieferung in räumlicher Nähe ohne Nutzung des Stromnetzes fallen Netz-entgelte weg

Nachteile für den Anlagenbetreiber/Stromlieferanten 

  • PPAs sind komplexe Verträge. Sie benötigen viel Sachverstand und viel Zeit und Absprachen.
  • Es gibt derzeit keine Musterverträge
  • Das Ausfallrisiko des Stromabnehmers (Ist die Bonität des Abnehmers über einen längeren Zeitraum gewährleistet)
  • Risiko von gesetzlichen Änderungen während des Vertragszeitraums 

Vorteile für den Abnehmer

  • Er schließt einen Direktvertrag mit dem Produzenten ohne weitere Handelsmargen
  • Er reduziert Risiken beim Stromeinkauf und sichert sich für einen längeren Zeitraum ein günstiges Preisniveau und ist unabhängig von schwankenden Strom- bzw. CO2-Preisen.
  • Er erhält Ökostrom mit Grünstromeigenschaft und regionalen Herkunftsnachweisen und kann den Ökostrom als 100-prozentig erneuerbar in der (firmen-)eigenen Energiebilanz ausweisen.
  • Abnehmer stärken ihr „grünes Image“ 

Nachteile für den Abnehmer

  • PPAs sind komplexe Verträge. Sie benötigen viel Sachverstand und viel Zeit und Absprache.
  • Eine langfristige Preisbindung und die Verpflichtung zur Abnahme ist bei sinkenden Strompreisen ein schlechtes Geschäft
  • Langfristige Stromverträge können von regulatorischen Entscheidungen zu CO2-Preisen, Ausbau der erneuerbaren Energien, Netzausbau und Strommarktdesign bestimmt werden.

 

 

 

 

 

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