Wasserkraft am Kleinfluss Neumagen

Stichworte: Wasserkraft, Kooperation

Die Bürger-Energie Südbaden (BEGS) hat mit dem Bauherrn Kraftwerke Kaiser KG, Todtnau am Fluß Neumagen ein Wasserkraftwerk errichtet

Wasserkraft ist die älteste Form der Energiegewinnung. Sie ist regional, dezentral und ökologisch sauber. Und sie ist eine regenerative Energiequelle mit Ausbaupotenzial. Wasserkraft schneidet hinsichtlich der CO2-Bilanzen, der Effizienz und der Langlebigkeit gegenüber anderen regenerativen Energiequellen sehr gut ab.  

Insbesondere in Süddeutschland trug die Wasserkraft lange Zeit mit etwa 70 Prozent zur Stromversorgung bei. Erst durch die Konkurrenz fossiler Energien und vor allem der Atom-kraft wurden bis in die 1980er Jahre etwa 50.000 Kleinanlagen – Mühlen und Sägewerke – in ganz Deutschland stillgelegt, ein Großteil davon im Süden. Die Standorte der stillgelegten Anlagen sind über Jahrzehnte, teils Jahrhunderte erprobt.

Die Bürger-Energie Südbaden eG (BEGS) setzt auf kleine Wasserkraft, weil kleine Anlagen zur regenerativen Energieerzeugung flexibel auf tages- und jahreszeitliche Nachfrage-schwankungen reagieren können. Außerdem vermögen sich Sonnen-, Wind- und Wasser-kraft bei unterschiedlichem Wetter gegenseitig auszugleichen. Kleine und dezentrale An-lagen stoßen außerdem auf weit mehr Akzeptanz in der Bevölkerung als Großkraftwerke.

Der Neumagen auf der Westseite des Südschwarzwalds mit einer Länge von 26 Kilometer hat ein Gefälle von knapp 1000 Meter von der Quelle bis zur Mündung. Schon im Mittelalter wurde die Energie des Flusses für den Abbau von Eisenerz genutzt. Zwischen 1921 bis 1971 verfügte das Münstertal schon über selbst erzeugte elektrische Energie – dank eines kommunalen E-Werkes.

Das Todtnauer Wasserkraftunternehmen Kaiser KG hatte sich schon seit längerer Zeit für ein Wasserkraftwerk in Staufen beworben, das Projekt stand 2014 kurz vor der Entscheid-ungsreife. Das Unternehmen wollte das Projekt realisieren. Im Gemeinderat Staufen gab es den politischen Konsens, dass das Kraftwerk mit Bürgerbeteiligung gebaut wird. So kam es zu der Lösung mit der Bürger-Energie Südbaden.

Bauherr des Kraftwerkes blieb die Kaiser KG. Die BEGS beteiligte sich in Form eines Nachrangdarlehens in Höhe von 800 000 Euro an den Gesamtkosten von etwa 2,3 Millionen Euro. Diesen Betrag warb die Genossenschaft über ihre Mitglieder ein. Mehr als 340 Genossen sind an der BEGS und damit am neuen Wasserkraftwerk und an neun Photovoltaikanlagen beteiligt. Das Wasserkraftunternehmen Kaiser garantiert den Genossen eine Kapitalverzinsung von 3,75 Prozent pro Jahr.

Das Projekt hatte 15 Jahre Vorlaufzeit und wurde erst nach langwierigen Verhandlungen genehmigt. Neben der Renaturierung waren die erforderliche "Fischdurchlässigkeit" und die mögliche Mortalität von Fischen in den Turbinen ein strittiges Thema.

Zu Beginn des Jahres 2015 erhielt das Unternehmen dann eine gehobene wasserrechtliche Erlaubnis über 40 Jahre. Fortan ging es sehr schnell. Nach nur sechs Monaten Bauzeit wurde das Wasserkraftwerk am Neumagen zwischen Staufen und Münstertal Ende November 2015 eingeweiht und in Betrieb genommen. Gesteuert und überwacht wird die gesamte Anlage per PC durch die Kraftwerke Kaiser KG.

Das Gefälle von 18,5 Metern auf gut einem Kilometer reicht, um durchschnittlich 1,3 Millionen Kilowattstunden regenerativen Strom zu erzeugen und etwa 400 Haushalte zu versorgen. 300 Tonnen CO2 werden durch das Wasserkraftwerk am Neumagen jährlich eingespart.

Die Einspeisung läuft über das öffentliche Netz, mit einer Einspeisevergütung von 12,6 Cent. Die Amortisationszeit beläuft sich auf rund 40 Jahre. Das entspricht der gegenwärtigen wasserrechtlichen Erlaubnis.

Investitionsplan

Entnahmebauwerk

250.000 €

Rohrtrasse, inkl. Erdarbeiten

850.000 €

Krafthaus, inkl. Anlagentechnik

550.000 €

Mindestwasserstrecke und Zuwegung

130.000 €

Vorlauf und Planung

210.000 €

Sicherheitspuffer

300.000 €

Investition gesamt

2.290.000 €

Hürden und Risiken
Die Planungszeit von Wasserkraftwerken ist sehr lange. In Staufen dauerte es fast 15 Jahre, bis die Genehmigung zum Bau des Wasserkraftwerkes vorlag. Lange Zeit galten solch lange Genehmigungszeiten als normal. 

Die kleine Wasserkraft ist in Baden-Württemberg nicht so förderungswürdig, wie sich die Energiegenossenschaft das wünscht. Man sei bei Wasserkraft schon bei über 90 Prozent Erschließungspotential, die weiteren 10 Prozent Ausbauziel rechtfertigen nicht den Eingriff in die Natur, so die Position der Landespolitik. Auch die regionalen Genehmigungsbehörden tun sich noch eher schwer, das Thema Wasserkraft neu zu betrachten, so die Erfahrung der BEGS.

Für die Bürger-Energie Südbaden sind die ökologischen Risiken ein schwaches Argument, denn das Kraftwerk am Neumagen ist sehr gut in die Landschaft integriert. Für die Energie-genossenschaft war der Bau zusätzlicher Fischtreppen und die naturnahe Gestaltung der Anlage selbstverständlich.

Erfolgsfaktoren
Mit dem Todtnauer Wasserkraftunternehmen Kaiser KG hat die Bürger-Energie Südbaden einen erfahrenen Partner, der sich lange für das Projekt engagiert hatte.

Die Anrainer-Kommunen Staufen und Münstertal unterstützten von Beginn an das Projekt, die Stadtwerke Müllheim-Staufen ebenso. Von Vorteil war auch, dass Jochen Fischer, der Geschäftsführer der Stadtwerke, gleichzeitig Vorstand der Energiegenossenschaft ist. Schließlich waren die Bürger von Anfang an in das Projekt einbezogen und beteiligten sich aktiv bei der Finanzierung.

Der Bürger-Energie Südbaden geht es bei dem Wasserkraftwerk um unmittelbare Bürgerbeteiligung. Der Strom kommt nicht anonym aus der Steckdose, sondern z.B. vom Wasserkraftwerk am Neumagen. Das erhöht die Identifikation der Bürgerinnen und Bürger. Außerdem bleibt das erwirtschaftete Geld in der Region. Es fließt an die Mitglieder der Genossenschaft, über die beteiligten Stadtwerke Müllheim-Staufen zurück an die Kommunen und über die lokalen Unternehmen, die am Bau beteiligt sind, an deren Mitarbeiter. Bei der BEGS zeigt sich die Akzeptanz und Beteiligung an der stark gestiegenen Mitgliederzahl von rund 250 im März 2015 auf über 340 Genossen im März 2016.

Technische Details
Das Wasserkraftwerk am Neumagen wurde an der Gemarkungsgrenze zwischen der Stadt Staufen und der Gemeinde Münstertal gebaut. Das Einlaufwehr befindet sich auf Münstertäler Grund, der Großteil der 1140 Meter langen Rohrleitung verläuft auf Staufener Gemarkung. Auch das Turbinenhaus steht in Staufen. Die Turbine, die ab 300 und bis 2.500 Litern Wassereinfluss pro Sekunde läuft, ist auf eine Leistung von 320 Kilowatt ausgerichtet. Die Kaplan-Turbine mit einem Permanentmagnet-Generator garantiert schadstofffreie Strom-produktion mit geringstem Wartungsaufwand. Das Gefälle von 18,5 Metern auf gut einem Kilometer lässt eine jährliche Erzeugung von rund 1,3 Millionen Kilowattstunden erwarten. 

Material und Fotos
„Die großen Potentiale der Wasserkraft“, Artikel von Jochen Fischer in stadt + werk

Die Projektbeschreibung des Wasserkraftwerkes Neumagen 

Ansprechpartner für Rückfragen
Die Bürger-Energie Südbaden wurde im Jahre 2012 durch die Initiative der Stadtwerke Müllheim-Staufen gegründet. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, die Energieversorgung lokal und regional in die eigenen Hände zu nehmen. Stand März 2016 hat die Genossenschaft über 340 Mitglieder mit 12.522 Geschäftsanteilen.

Bürger-Energie Südbaden eG (BEGS)
Jochen Fischer (Vorstand)
Marktstraße 1-3
79379 Müllheim
Tel.: 07631/936 08-20
E-Mail: info@buerger-energie-suedbaden.de
www.buerger-energie-suedbaden.de

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