18. April 2011

Energie dauerhaft demokratisiert

Eine Kommune in Nordhessen schreibt Energiegeschichte. Sie strebt eine Bürgerbeteiligung an ihren Stadtwerken an – über die Gründung einer BürgerEnergie-Genossenschaft. Mehr über die Demokratisierung der Energieversorgung.

Über 300 Bürgerinnen und Bürger sowie Stadtwerke-Kunden von außerhalb kamen zu der Informationsveranstaltung am 16. März, auf der über die Gründung der BürgerEnergie-Genossenschaft Wolfhagen eG informiert wurde. Mehr als 150 wollten von Anfang dabei sein bei dem bislang einmaligen Weg. Sie trugen sich noch während der Veranstaltung in die ausliegenden Mitgliedslisten ein.

Bereits heute sind die Stadtwerke Wolfhagen mit ihrer nachhaltigen Energieversorgung Vorbild für viele andere Kommunen. Erster Schritt war der konfliktreiche Rückkauf des Energienetzes von E.ON. Zweiter Schritt war die Auswahl für die Modellprojektförderung beim Programm 100%-Enerneuerbare-Energie-Regionen in Deutschland. In einem dritten Schritt strebt die Stadt eine Bürgerbeteiligung an ihren Stadtwerken an, über die Gründung einer Energiegenossenschaft. Für Bürgermeister Reinhard Schaake „ein Schritt von historischer Bedeutung für die lokale Energiewende von unten.“

Kunden gestalten Energiezukunft mit


Die Kunden von heute werden zu Miteigentümern und Mitgestaltern von morgen: Mit der geplanten BürgerEnergie-Genossenschaft in Wolfhagen „werde Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit geschaffen, sich an der Entwicklung ihrer Stadtwerke zu beteiligen“, so Bürgermeister Schaake weiter. Die Stadtverordnetenversammlung beschloss in ihrer jüngsten Sitzung zum Thema Energiegenossenschaft, „dass Verwaltung und Stadtwerke bis zum 2. Mai 2011 ein beratungsfähiges Konzept vorlegen“. Hierüber werden die mit der Kommunalwahl neu besetzten Gremien beraten und entscheiden.

Bürgermeister wie Stadtverordnete sind überzeugt von der Idee, eine umweltfreundliche Energieversorgung aus regenerativen Quellen in Verbindung mit einer Wertschöpfung vor Ort aufzubauen. „Schon heute ist unser kommunales Stadtwerk kein von Ferne agierendes Versorgungsunternehmen, dessen Gewinne in andere Regionen oder an Aktienbesitzer abfließen“, sagt Stadtoberhaupt Schaake. „Mit der Beteiligung unserer BürgerEnergie-Genossenschaft an den Stadtwerken machen wir unseren Energieversorger noch stärker zu einem transparenten, dem Bürger dienenden Unternehmen mit örtlicher Verbundenheit und lokaler Kontrolle.“

Die Energieversorgung den Wolfhagenern

Mit 25 % soll sich die „BürgerEnergie-Genossenschaft Wolfhagen eG“ nach ersten Vorstellungen an der Stadtwerke Wolfhagen GmbH, einem Tochterunternehmen der Kommune, beteiligen – und einen Vertreter in deren Aufsichtsrat entsenden. Das sei keine Privatisierung, „bei der sich wie so oft Wenige mit hohen Anteilen einkaufen und sich ihre Vorteile sichern“, so Bürgermeister Schaake. Die Beteiligungen werden wohl zwischen 500 Euro und höchstens 10.000 Euro liegen.

„Die Genossenschaft ist die dauerhafte Demokratisierung der lokalen Energieversorgung“, sagt Martin Rühl, der Geschäftsführer der Stadtwerke. Zur Finanzierung eines geplanten Windparks, gegen die sich eine Bürgerinitiative gegründet hat, werde das Geld der Genossenschaftsmitglieder nicht benötigt, betonte Rühl. Die Finanzierung der Anlagen wäre auch so machbar. Vielmehr wollen die Stadtwerke die Bürger mit ins Boot holen. Rühl: „Ich möchte, dass die Windräder nicht fernen Investoren gehören, sondern den Wolfhagern. Damit entsteht eine Identifikation mit der lokalen Energieversorgung.“

Förderauftrag Energieeffizienz

Die Beteiligung an der Stadtwerke Wolfhagen GmbH steht im Mittelpunkt der Geschäftstätigkeit der zukünftigen Genossenschaft. Sie soll jedoch nicht nur eine atomstromfreie, ökologische und preisgünstige Strom-, Gas-, Wärme- und Wasserversorgung sichern, sondern Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz entwickeln und unterstützen. So wird die Genossenschaft Förderprojekte erarbeiten, Mitglieder können über einen Energiesparfond finanzielle Unterstützung für ausgewählte Energiesparmaßnahmen bekommen. Darüber hinaus klärt sie über den sparsamen Umgang mit Energie und Wasser auf. Die Erträge aus der Beteiligung sollen nach oben bei sechs Prozent gedeckelt sein. Zusätzlich mögliche Gewinne fließen in den Energiesparfonds.

Die politische Einmütigkeit zwischen Bürgermeister, Stadtverordnetenversammlung  und dem Geschäftsführer der Stadtwerke macht zum einen das Besondere am Wolfhagener Projekt aus. Ohne das übliche Parteiengeplänkel wird hier konsequente Bürgerbeteiligung auf den Weg gebracht. Hinzu kommt: Die Umsetzung beschränkt sich weder auf eine rein finanzielle Beteiligung noch auf eine unverbindliche Mitsprache ohne gesellschaftsrechtliche Grundlagen. Ein Beispiel, dass vielleicht bei anderen energieverantwortlichen Kommunen Schule macht, die die Vision einer ökologischen und zukunftsweisenden Energiewirtschaft verwirklichen wollen.

Burghard Flieger

Hessenreport: Stadtwerke werden zu Genossenschaft

Kassel-Zeitung Podcast zum Thema



 

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