Regionale Wertschöpfung in Bürgerhand und professionelles Management: Jurenergie eG

Stichworte: Windkraft, Landkreis, Professionalisierung der Führung, Tochtergesellschaft

Die Bürgerenergiegenossenschaft Jurenergie e.G. steht für eine regional und dezentral organisierte Energiewende. Die Jurenergie investiert in einzelne Erneuerbare Energien-Projekte im Landkreis und der Stadt Neumarkt oder im näheren Umkreis und vermarktet die gewonnene Energie.

Die Initiative zur Gründung der Genossenschaft ging vom Landkreis Neumarkt aus. Es gab zwei bis drei Infoveranstaltungen zusammen mit dem Genossenschaftsverband: Warum Genossenschaft? Was haben wir vor als Landkreis? Welche Ziele verfolgen wir? In der Folge ging es darum, Freiwillige zu finden, die die Jurenergie auf den Weg bringen. Die Bürgergenossenschaft hat  nach eigener Einschätzung eine gute Mischung in Vorstand und Aufsichtsrat. Bernhard Pürzer arbeitet bei einer Bank, Carsten Borrmann ist Ingenieur, Michael Vogel ist Jurist, Betriebswirt und war zehn Jahre geschäftsführender Manager in einem mittelständischen Unternehmen u.a. im Bereich Controlling und Finanzen. Hintergedanke der Mischung ist, möglichst viele Kompetenzen selbst abdecken zu können, ohne immer externe Hilfe in Anspruch nehmen zu müssen.

Das Interesse des Landkreises bestand darin, einen Teil der abfließenden Gelder für die Nutzung von Energie, immerhin etwa 500 Millionen Euro pro Jahr, im Landkreis zu halten, sprich für die regionale Wertschöpfung zu gewinnen. Außerdem sollte mit der Jurenergie die Akzeptanz von Projekten in der Bevölkerung erhöht werden, etwa beim Thema Windkraft.

Den Beginn stellten Photovoltaik-Projekte dar. Sie waren kalkulierbar und von der Größenordnung eher steuerbar. Im Jahr 2011, insbesondere nach dem Reaktorunglück von Fukushima, wurden sehr viel Anteile durch Mitglieder gezeichnet, sodass ein enormer Geldzufluss zu verzeichnen war. Ebenso spielte die Finanzkrise bei der Zeichnung eine Rolle. Allein von September bis Ende Dezember 2011 konnte die Genossenschaft drei Millionen Euro eingesammelt werden.

Daraus ergab sich die Idee zur Beteiligung an Windanlagen. Bereits im Frühjahr 2011 war klar, dass das hohe Eigenkapital nicht alleine für Photovoltaik-Anlagen verwendet werden konnte. Aus der Kontaktaufnahme zu zwei Fondsgesellschaften entstanden nach einvernehmlicher Prüfung durch die Gremien Investitionen für zwei Beteiligungen mit insgesamt 500.000 Euro. Beide Windenergieanlagen befinden sich im Landkreis Neumarkt, da Interesse an lokalen Investitionen bestand. Bei solchen Beteiligungen ist besonders auf die Seriosität der Anbieter zu achten. Das Konzept muss stimmig und nachvollziehbar sein und es muss ein gegenseitiges Vertrauen bestehen. Es besteht ein gewisses Risiko, da man auf die Berechnungen der Anbieter vertrauen muss, obwohl die Zahlen gegengerechnet wurden. Aufgrund der positiven eigenen Projektentwicklungen nimmt die Jurenergie heute jedoch keine Beteiligungen mehr vor.

Jurenergie startet mit Windkraft

Im Herbst 2011 ging die Jurenergie das erste eigene Windradprojekt an. Es gab die Vision, irgendwann eigenen Strom zu liefern und das geht nur durch die Realisierung eines eigenen Projekts. Im Spätsommer 2012 konnten zwei Windräder von Ostwind im Rahmen eines Generalunternehmer-Vertrages schlüsselfertig zum Festpreis gekauft werden. Beides sind getriebelose Anlagen mit 149 m Nabenhöhe und einer Nennleistung von jeweils drei MW. Diese gingen im Sommer 2013 ans Netz. Die ganze Flächensicherung, das Genehmigungsverfahren, den Bau usw. hat Ostwind durchgeführt. Die Finanzierung hat die Genossenschaft gestemmt. Dabei wurde gut verhandelt und ein günstiger Kaufpreis erzielt. Prognostisch sind die beiden Windräder die lukrativsten Anlagen neben den bestlaufenden PV-Anlagen. Bei der Anbahnung von Projekten geht die Genossenschaft sehr akribisch vor und prüft sehr genau. Es ist ein konservativer Ansatz. Die Windanlagen wurden beispielsweise mit einem Mix aus Eigenkapital und Fremdkapital über die KfW und Bankdarlehen finanziert. Das Investitionsvolumen lag bei knapp elf Millionen Euro für beide Anlagen, die Eigenkapitalquote liegt zwischen 25% und 30%.

Bei der Gründung der Projekt GmbH hat die Energiegenossenschaft sich für einen hauptamtlichen Geschäftsführer entschieden. Mit rein ehrenamtlichem Engagement sind solche Projekte nur bedingt stemmbar. Mitte 2012 wurde die Betriebs-GmbH als hundertprozentige Tochter der Bürgerenergiegenossenschaft gegründet, ein Geschäftsführer ist in Teilzeit angestellt. Die Projekt-GmbH wurde in der Startphase durch Darlehen der Genossenschaft finanziert, später über die zu erwartenden Erträge aus den Windrädern. Die Maßgabe ist, dass der Geschäftsführer sein Gehalt selbst verdienen muss. Dazu war ein Umsatz von 1,5 Millionen Euro bis Ende 2014 geplant, um die Finanzierung eines Geschäftsführers in der Form zu sichern.

Daneben ging der Windpark Birgland Ende September 2014 in Betrieb. Seine Leistung umfasst insgesamt 6 MW und besteht aus zwei Windanlagen mit einer Nabenhöhe von je 140 m und einem Rotordurchmesser von je 112 m. Der neue Wald-Windpark liegt auf einer windhöffigen Anhöhe der Mittleren Frankenalb südöstlich der Autobahn A6 im Gemeindegebiet Birgland

Der Schwerpunkt der Genossenschaft liegt derzeit im professionellen Management des bestehenden Portfolios. Hier geht es vor allem darum, eine reibungslose Zusammenarbeit mit der technischen Betriebsführung und dem Wartungsservice sicherzustellen. Dies betrifft die permanente Kontrolle und Steuerung der Anlagenperformance, Wartungsarbeiten usw. Rechnungen der Netzbetreiber und Direktvermarkter. Dazu werden für den Aufsichtsrat ein entsprechendes Berichtswesen und Reporting vorgehalten. Zusätzlich besteht die Arbeit aus ständiger Akquise und Prüfung, inwieweit das Portfolio sinnvoll ergänzt werden kann. Des Weiteren übernimmt die Jurenergie im PV-Bereich auch die technische Betriebsführung in eigener Verantwortung und Regie.

Diese Kompetenzen bietet die Jurenergie auch anderen Genossenschaften und Gesellschaften an, um diese unabhängiger von den bestehenden Betriebsführern im kaufmännischen und technischen Bereich zu machen. Daneben spielt auch eine noch bessere Auslastung des Personals eine Rolle für Zeiten, in denen Projekte aufgrund der energiepolitischen Rahmenbedingungen nicht möglich sind. Strategisch steht dahinter die Überlegung nicht nur durch Investitionen, sondern auch durch Dienstleistungen Beiträge zur Wertschöpfung zu leisten. Daher wurden eine „Eigenverbrauchsinitiative“ lanciert, die ein Angebot an Solarspeichern über einen Partner mit speziellen Jurenergie-Preisen darstellt. Dazu kommt ein eigener Stromvertrieb und die Energieberatung, d.h. die Vermittlung von entsprechenden Energieberatern. Mitglieder der Jurenergie eG bekommen einen Extra-Nachlass von 20 Prozent auf alle Beratungsleistungen.

Weiteres Thema in näherer Zukunft wird die Dienstleistung für andere kleinere Genossenschaften sein, diese bei deren Geschäftsführung, Mitgliederverwaltung usw. zu unterstützen. Als großes Investitionsthema wird sich die Jurenergie auch mit der Beteiligung an Netzen und deren Rekommunalisierung auseinandersetzen.

Die Finanzierung der Geschäftsführertätigkeit wurde dadurch gesichert, dass die Gründungsvorstände und -aufsichtsräte die ersten Jahre ohne Vergütung und sogar ohne Ersatz der Auslagen gearbeitet haben. Aus einer Interimslösung heraus ist der derzeitige Geschäftsführer teilzeitbeschäftigt.

Die Schwerpunkte entsprechen den o.g. Tätigkeiten der Genossenschaft. Dazu kommt das gesamte Thema Bankenmarketing und -kommunikation, klassische Geschäftsführungstätigkeiten wie Überwachung und Kontrolle der Buchhaltung, Erstellung der Jahresabschlüsse, die Koordination der gesamten internen und externen Kommunikation, Compliance und Risikomanagement.

Die Finanzierung des Personals ist langfristig durch die Investitionstätigkeit bis zum Ende der EEG-Vergütung gesichert. Die Personalkosten liegen inkl. aller Aufsichtsrats und Vorstandsvergütung bei unter fünf Prozent des konsolidierten Umsatzes.

Hürden und Risiken

Die Risiken liegen derzeit allein in einem plötzlichen und/oder massiven Zinsanstieg und in Einschränkungen des Bestandsschutzes der Investitionen.

Erfolgsfaktoren

Der Landkreis unterstützt insofern, als dass das Wohlwollen des Landratsamtes und eine sehr gute Kommunikation mit den dortigen Mitarbeitern vorhanden sind. Die Verantwortlichen der Jurenergie sind zudem mit allen Bürgermeistern aller Gemeinden gut bekannt, was wiederum Vertrauen schafft. So wird die Genossenschaft quasi als halböffentliches Unternehmen wahrgenommen.

Nach der Gründung haben die Verantwortlichen sämtliche Gemeinderatsgremien besucht und sind vorstellig geworden. Über die Kontakte zum Landratsamt und den Bürgermeistern konnten die Flächen für die Photovoltaikprojekte gesichert werden. Nun melden sich die Kommunen von sich aus, sofern im Ort etwas ansteht: Sie hätten eine Idee, wäre so etwas machbar, würdet Ihr das eventuell begleiten?

Der Erfolg der Jurenergie liegt darin begründet, dass die guten Rahmenbedingungen durch das Know-how und die Expertise der Gremien genutzt wurden. Die Erfolgsformel dafür lautet: „Machen statt Schnacken!“ Außerdem wurden und werden alle Projekte sehr genau geprüft, um Risiken soweit wie möglich auszuschließen. Das Ganze in Verbindung mit einer offenen und transparenten Kommunikation innerhalb der Gremien, untereinander und zu den Mitgliedern schafft das Vertrauen, um erfolgreich sein zu können.

Details zur Genossenschaft und Projekten

Jurenergie eG in Zahlen

  • Gründung: 13 April 2010
  • Mitglieder: 940
  • Bilanzsumme 2017 allein in der Genossenschaft über 10 Mio
  • Gezeichnetes Kapital: 9 Mio Euro
  • Ausgeschüttete Rendite: Geschäftsjahr 2016 – 3 %
  • Bisher investiertes Kapital (inkl. Fremdkapital): ca.  30 Mio. Euro

Realisierte Projekte:

  • 11 Bürger-Solaranlagen: mit insgesamt 850 kWp
  • WKA über Eco-Energy KG – als Beteiligung
  • WKA Pöfersdorf (Nennleistung 3,0 MW) und Brenntenberg II (Nennleistung 3,0 MW) – Inbetriebnahme Sommer 2013
  • 2 WKAs in Gde. Birgland (Nennleistung je 3,0 MW) 
  • 1 WKA Brenntenberg

Erzeugter Strom 2017: ca. 30. Mio.  kWh (davon ca. 800.000 MWh aus PV und ca. 17.600.000 kWh aus Wind)

Material und Fotos

Infoflyer der Jurenergie eG 

Windpark mit Vorbildcharakter

Ansprechpartner für Fragen 

Jurenergie eG
Michael Vogel
Rechtsanwalt, Betriebswirt (IWW)
Nürnberger Straße 35
92318 Neumarkt
Tel. 0170/5352690
michael.vogel@jurenergie.de
www.jurenergie.de

 

Stand: Mai 2018

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